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Corona: Allgemeinverfügung der Gemeinde Dossenheim

Amtliche Bekanntmachung der Gemeinde Dossenheim (Rhein-Neckar-Kreis)

Allgemeinverfügung

der Gemeinde Dossenheim zur Umsetzung weiterer Maßnahmen zur Eindämmung der Atemwegserkrankung COVID-19 und Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2.

 

I.

  1. Im Bereich der öffentlichen Straße (im Freien) in Warteschlangen (mehr als 1 wartende Person) vor Verkaufsstellen des Einzelhandels, vor Gaststätten, Cafés, Eisdielen, vor sonstigen Verkaufsstellen und in Warteschlangen vor Poststellen, Abholdiensten und Ausgabestellen der Tafeln, vor Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben sowie vor Verwaltungsgebäuden

sowie

von Besuchern auf Wochenmärkten und vergleichbaren öffentlichen Marktveranstaltungen, insbesondere auf Märkten im Sinne der §§ 66 bis 68 Gewerbeordnung (GewO),

ist eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Es gelten jeweils die Ausnahmeregelungen nach § 3 Abs. 2 CoronaVO.

  1. Der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen ist in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr untersagt (Sperrstunde).
  2. Der Konsum von Alkohol ist auf von nachstehend bezeichneten räumlichen Geltungsbereichen (stark frequentierte öffentliche Plätze) in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr untersagt:
  • Bahnhofsplatz inkl. RNV-Haltestellenbereiche
  • RNV-Haltestellen Nord und Süd
  • Rathausplatz
  • Kronenburger Hof
  • Jugendplatz sowie Skateanlage am Sportplatz
  • Bolzplatz im Gewann Augustenbühl
  1. Abweichend von § 7 des Gaststättengesetzes (GastG) dürfen in Gaststätten oder gastgewerblichen Einrichtungen im Sinne von § 25 GastG keine alkoholischen Getränke zum alsbaldigen Verzehr über die Straße („Gassenschank“) abgegeben werden (generelles Außenabgabeverbot von Alkohol).
  2. In Abweichung von § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 CoronaVO Messen haben Veranstalterinnen und Veranstalter die Anzahl der tatsächlich gleichzeitig anwesenden Besucherinnen und Besucher so zu begrenzen, dass eine Mindestfläche von zehn Quadratmetern pro Besucherin oder Besucher bezogen auf die für die Besucherinnen und Besucher zugängliche Ausstellungsfläche nicht unterschritten wird. Unabhängig von der Regelung in Satz 1 ist die Durchführung von Messen mit einer gleichzeitig anwesenden Besucherzahl von mehr als 100 Personen untersagt.
  3. Ausnahmen von den Anordnungen nach Ziff. 1 – 5 können im Einzelfall aus wichtigem Grund auf Antrag von der Ortspolizeibehörde zugelassen werden.
  4. Für den Fall der Nichtbeachtung der unter Ziff. 1 – 5 getroffenen Anordnungen wird bereits jetzt die Durchsetzung unter Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht.
  5. Diese Allgemeinverfügung gilt ab dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag. Sie tritt vorbehaltlich der anderweitigen Aufhebung spätestens am 31.12.2020 außer Kraft.

 

II.

 

Insgesamt steigt die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 seit Ende Juli in Deutschland wieder an. Dabei hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass bei einem dynamischen Infektionsgeschehen oberhalb der Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche die Nachverfolgung der Kontakte aller Infizierten vor Ort nur noch schwer gewährleistet werden kann. Ziel muss daher sein, die Inzidenz unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche zu halten oder nach Ausbrüchen zügig wieder unter diese Schwelle zu senken (vgl. dazu bereits Beschluss der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 14. Oktober 2020).

Die Landesregierung hat am Montag 19. Oktober 2020 für Baden-Württemberg die dritte Stufe der Corona-Pandemie ausgerufen. Die hochdynamische Entwicklung der Infektionszahlen und das diffuse Ausbruchsgeschehen in vielen Stadt- und Landkreisen waren hierfür ausschlaggebend.

Unabhängig von der landesweiten Pandemiestufe kann bzw. muss es auf Ebene einzelner Stadt- und Landkreise zur Umsetzung von spezifischen Maßnahmen kommen, insbesondere, wenn dort die definierten Schwellenwerte der 7-Tage-Inzidenz von 35 bzw. 50/100.000 Einwohner überschritten werden (vgl. auch Anlage zur Kabinettsvorlage „Landeskonzept zum Umgang mit einer zweiten SARS-CoV-2-Infektionswelle“: Stufenkonzept, S. 2f.).

 

2.

Die 7-Tage-Inzidenz in Baden-Württemberg liegt aktuell bei 61,2 nachdem sie am Vortag noch bei 53,4 gelegen hat (Landesgesundheitsamt – LGA, Tagesberichte COVID-19 v. 21./22.10.2020). Der Schwellenwert der 7-Tage-Inzidenz von 50/100.000 Einwohner ist damit landesweit bereits weit überschritten.

Auch im Rhein-Neckar-Kreis und den angrenzenden Stadtkreisen sind die Fallzahlen wieder stark angestiegen bzw. steigen weiter an. Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner bei 48,0 (Vortrag 34,3; LGA, aaO.). Im Stadtkreis Mannheim beträgt diese bereits 93,4 (Vortag 80,5; LGA, aaO.) und im Stadtkreis Heidelberg 52,0 (Vortag 39,0; LGA, aaO.).

Insbesondere durch die Verzahnung der Ballungsräume Heidelberg und Mannheim – deren Inzidenzen die des Rhein-Neckar-Kreises stets (teilweise bei Weitem) überschreiten – mit dem Rhein-Neckar-Kreis ist daher ein möglichst frühzeitiges Einschreiten geboten. Im Sinne einer regional übergreifenden wirksamen Vorgehensweise sind daher die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen stets unter Berücksichtigung der gerade aus und nach Mannheim bzw. Heidelberg fließenden Personenströme zu ergreifen.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung ist zeitnah mit einem Überschreiten der 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner auch für den Rhein-Neckar-Kreis zu rechnen.

 

 

3.

Diese dargestellte Ausgangslage zugrunde gelegt gilt Folgendes:

 

a.

Die Anordnungen der I. Allgemeinverfügung beruhen auf § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), § 35 Satz 2 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG).

Die Gemeinde Dossenheim ist gem. § 1 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung des Sozialministeriums über die Zuständigkeiten nach dem IfSG (IfSGZustV) für die Anordnung von Schutzmaßnahmen nach § 28 IfSG zuständig.

Insbesondere bleibt das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu erlassen, von der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) unberührt, vgl. § 20 Abs. 1 CoronaVO (zum Erfordernis von Öffnungsklauseln vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 7.4.2020 – 11 S 16/20, BeckRS 2020, 5266 Rn. 7). Namentlich für die Festlegung von Höchstteilnehmerzahlen sind zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes die nach der Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz vom 19. Juli 2007 in der ab 29. Mai 2020 bis 1. April 2021 geltenden Fassung zuständigen Behörden berufen (vgl. Erlass v. 05./16.10.2020, Az. 51-1443.1 SARS-CoV-2/4).

 

b.

Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft die zuständige Behörde nach § 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren (Allgemeine Maßnahmen).

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (Schutzmaßnahmen).

Gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde hierzu unter den Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG u. a. Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.

Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

 

c.

 

Die Voraussetzungen der §§ 16 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG liegen vor.

 

(1)

 

Im Ausgangspunkt wird das behördliche Ermessen dadurch beschränkt, dass nach § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG nur „notwendige“ Schutzmaßnahmen getroffen werden dürfen. „Notwendige“ Schutzmaßnahmen sind „Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind“ (BVerwGE 142, 205 Rn. 24 = BeckRS 2012, 51345).

Das Ergreifen von Schutzmaßnahmen ist nur zulässig, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Jede Schutzmaßnahme muss demnach gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit geeignet, erforderlich und angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) sein (BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 1. Ed. 1.7.2020, IfSG § 28 Rn. 24).

Für die Geeignetheit einer Maßnahme genügt es, wenn „der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“ wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842/11 –, BVerfGE 134, 204-239, Rn. 79, stRspr). Im Hinblick auf Schutzmaßnahmen nach § 28 IfSG reicht es insofern aus, wenn die Maßnahme die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt (BayVGH BeckRS 2020, 8313 Rn. 18; s. auch VGH BW COVuR 2020, 322 Rn. 17).

Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn das mit ihr verfolgte Ziel nicht mit einem gleich wirksamen Mittel erreicht werden kann, das weniger belastend ist (BVerfG Beschl. v. 8.6.2010 – 1 BvR 2011, BeckRS 2010, 50478). Aus dem Gebot der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) folgt, dass „bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs, dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt“ wird (BVerfG Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BeckRS 2016, 41338 Rn. 53, stRspr.).

Bei der Beurteilung komplexer Gefahrenlagen kommt der zuständigen Behörde hinsichtlich der Einschätzung der geeigneten, erforderlichen und gebotenen Maßnahmen grundsätzlich dabei ein weiter Entscheidungsspielraum zu (HmbOVG BeckRS 2020, 9944 Rn. 26; s. auch OVG LSA BeckRS 2020, 6948 Rn. 28; BayVGH BeckRS 2020, 8313 Rn. 18; OVG LSA BeckRS 2020, 6948 Rn. 23; ThürOVG BeckRS 2020, 12181 Rn. 62).

In zeitlicher Hinsicht dürfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig eine Befristung der getroffenen Schutzmaßnahmen erfordern (vgl. BayVGH BeckRS 2020, 6515 Rn. 38). Hierdurch wird sichergestellt, dass die Schutzmaßnahme unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen des Infektionsgeschehens fortgeschrieben werden muss (BVerfG NJW 2020, 1427 Rn. 14). Mit Blick auf die Fortdauer von Schutzmaßnahmen unterliegt die zuständige Behörde einer fortwährenden Beobachtungs- und Überprüfungspflicht (ThürOVG BeckRS 2020, 12181 Rn. 63; s. auch HmbOVG BeckRS 2020, 9944 Rn. 26; NdsOVG BeckRS 2020, 10749 Rn. 28; BayVGH BeckRS 2020, 6515 Rn. 38). Sie hat für die Dauer der Gültigkeit der Schutzmaßnahme fortlaufend zu überprüfen, ob ihre Aufrechterhaltung noch erforderlich und angemessen ist. Dabei werden die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit umso strenger, je länger die aus der Schutzmaßnahme folgenden Beschränkungen Anwendung finden (ThürOVG BeckRS 2020, 12181 Rn. 63; s. auch BayVGH BeckRS 2020, 6515 Rn. 38). Sofern Schutzmaßnahmen sich schon vor Ablauf ihres vorgesehenen Geltungszeitraums als nicht mehr erforderlich erweisen, müssen sie umgehend aufgehoben oder modifiziert werden (ThürOVG BeckRS 2020, 12181 Rn. 63; ebenso BayVGH BeckRS 2020, 6515 Rn. 38).

Schutzmaßnahmen müssen ferner mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Einklang stehen (ThürOVG BeckRS 2020, 10615 Rn. 59).

 

(2)

Im Einzelnen:

Bei der durch das Corona Virus SARS-CoV-2 ausgelösten Lungenerkrankung COVID-19 handelt es sich um eine übertragbare Krankheit gemäß § 2 Nr. 3 IfSG. Übertragbare Krankheit ist danach eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit. Krankheitserreger wiederum sind gem. § 2 Nr. 1 IfSG sind Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vermehrungsfähige Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann.

Es wurden auch Kranke und Krankheits- bzw. Ansteckungsverdächtige (§ 2 Nr. 4, 5, 7 IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz IfSG festgestellt.

Die hierfür vorausgesetzten Tatsachen müssen nicht zwingend durch die für das Ergreifen der Schutzmaßnahme zuständige Behörde selbst festgestellt werden. Ebenso wenig ist erforderlich, dass die in § 28 Abs. 1 Satz IfSG vorausgesetzten Tatsachen innerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der für das Treffen von Schutzmaßnahmen zuständigen Behörde auftreten müssen. Es kommt mithin allein darauf an, ob eine übertragbare Krankheit aufgetreten ist, nicht aber darauf, wo sie aufgetreten ist (OVG Lüneburg, Urt. v. 03.02.2011 – 13 LC 198/08 –, Rn. 40, juris). Das festgestellte Infektionsgeschehen muss lediglich einen gewissen Bezug zum Zuständigkeitsbereich der Behörde aufweisen, es muss sich also eine konkrete Gefährdungslage mit Blick auf den Zuständigkeitsbereich der tätig werdenden Behörde manifestiert haben. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist dabei zu berücksichtigen, dass die Krankheit im gesamten Bundesgebiet festgestellt worden ist (bspw. BayVGH BeckRS 2020, 7227 Rn. 33; vgl. hierzu und zum Vorstehenden insgesamt zusammenfassend BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 1. Ed. 1.7.2020, IfSG, § 28 Rn. 17-19.1).

Hierauf kommt es aber entscheidend im vorliegenden Fall nicht an, da die Entsprechenden Feststellungen sowohl im Zuständigkeitsbereich der erlassenden Behörde als auch insbesondere im Rhein-Neckar-Kreis, zum dem die erlassende Behörde als kreisangehörige Gemeinde gehört, getroffen werden konnten.

Liegen – wie oben gezeigt – die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG vor, muss („so trifft“) die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen (gebundene Entscheidung, BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 –, BVerwGE 142, 205-219, Rn. 23; BT-Drs. 14/2530, 74). Der zuständigen Behörde steht demnach hinsichtlich des „ob“ ihres Tätigwerdens kein Ermessen zu, sondern lediglich mit Blick auf das „wie“ (BT-Drs. 14/2530, 74). Insoweit ist der zuständigen Behörde das Auswahlermessen in Bezug auf die zu treffenden Schutzmaßnahmen eingeräumt (BVerwG, aaO., Rn.).

Adressat von Schutzmaßnahmen sind vorrangig Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider i. S. v.§ 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen (BVerwG, aaO., Rn. 25). Gleichwohl können Schutzmaßnahmen nach allgemeiner Auffassung auch gegenüber „Nichtstörern“ ergriffen werden (BVerwG, aaO., Rn. 25). § 28 ermöglicht dabeiRegelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen (NdsOVG BeckRS 2020, 10749 Rn. 24).

Maßgeblich für die Adressatenauswahl ist der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr (NdsOVG BeckRS 2020, 10749 Rn. 24). Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Es findet vielmehr der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht verankerte Grundsatz Anwendung, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadens umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Ansteckungsrisiko und die Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen je nach Krankheit unterschiedlich sein können. So genügt im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, eine vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts. Es ist insoweit ein am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierter, flexibler Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. (BVerwG, aaO., Rn. 25).

Im Hinblick auf SARS-CoV-2 ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich grundsätzlich um ein leicht von Mensch zu Mensch übertragbares Virus handelt (vgl. z. B. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Übertragbarkeit, abzurufen unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html).

Bei der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung zwar mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und auch tödliche Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen aber zu. Das individuelle Risiko kann anhand der epidemiologischen/statistischen Daten allerdings gegenwärtig nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar (aaO., Krankheitsschwere).

Insgesamt geht von dem neuartigen Erreger damit vor dem Hintergrund der hohen Übertragbarkeit und der – teilweise noch nicht einmal abschätzbaren – Gefahren und Krankheitsfolgen für die öffentliche Gesundheit in Deutschland und weltweit eine besondere Gefahr aus.

Das Robert Koch-Institut als zuständiger nationaler Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen führt insofern in seiner aktuellen Risikobewertung aus (aaO, Risikobewertung, Allgemein):

Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiterhin zu. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle war in Deutschland von etwa Mitte März bis Anfang Juli rückläufig. Seit Ende Juli werden wieder deutlich mehr Fälle übermittelt, viele davon standen zunächst in Zusammenhang mit Reiseverkehr. Seit Ende August (KW 35) werden wieder vermehrt Übertragungen in Deutschland beobachtet.

 Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein kontinuierlicher Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Die Dynamik nimmt in fast allen Regionen zu.

Es kommt bundesweit zu Ausbruchsgeschehen, insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis und bei Gruppenveranstaltungen und es werden wieder vermehrt COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet.

Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.

Vor diesem Hintergrund sind auch bzw. gerade in der gegenwärtigen Situation an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung eher geringe Anforderungen zu stellen, so dass hier bereits das Übertragungsrisiko aufgrund der vergleichsweise hohen Inzidenz im Rhein-Neckar-Kreis ausreicht.

Die Allgemeinverfügung richtet sich daher zutreffend insbesondere auch an sog. Nichtstörer.

 

(3)

 

Vor diesem Hintergrund gilt zu den jeweiligen Anordnungspunkten im Einzelnen:

 

Zu Ziff. 1

§28 Abs. 1 S. 1 IfSG enthält als Generalklausel eine allgemeine Ermächtigung, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.

Nach mittlerweile einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung stellt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einen grundrechtlichen Eingriff (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) von nur geringer Intensität dar der auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 IfSG gestützt werden kann (zusammenfassend Kießling, IfSG, § 28 Rn. 66 unter Verweis auf OVG Münster Beschl. v. 19. 5. 2020 – 13 B 557/20.NE, Rn. 61; OVG Greifswald Beschl. 20. 5. 2020 – 2 KM 384/20 OVG, Rn. 17; VGH München Beschl. v. 19. 6. 2020 – 20 NE 20.1337, Rn. 16; zu einem möglichen Eingriff in Art. 4 VGH München Beschl. v. 26. 6. 2020 – 20 NE 20.1423, Rn. 25 ff.). Um verhältnismäßig zu sein, müssen Ausnahmen von der Pflicht gemacht werden für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen keine solche Bedeckung tragen können (etwa bei Atembeschwerden) oder nicht die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzen (Kießling, aaO. m. w. N.).

Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten wird – auch bei größeren Menschenansammlungen im Freien – besteht ein erhöhtes Übertragungsrisiko. Sie werden daher auch bei Menschenansammlungen im Freien, wenn der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten wird, empfohlen (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html). Durch die Beschränkung auf genau bezeichnete Geltungsbereiche wird sichergestellt, dass die Maskenpflicht nur in Bereichen gilt, in denen es regelmäßig zu entsprechenden Menschenansammlungen kommt.

Vor dem Hintergrund des nur geringen Eingriffs und der räumlichen bzw. anlassbezogenen (Warteschlangen) Beschränkung sowie durch die bereits in der Anordnung vorgesehenen Ausnahmen und die Möglichkeit weitere Ausnahmen zuzulassen, erweist sich die Anordnung als verhältnismäßig.

 

Zu Ziff. 2

Auch die Anordnung einer Sperrstunde kann grundsätzlich auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden (VG Berlin Beschl. v. 15.10.2020 – 14 L 422/20, BeckRS 2020, 26757).

Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr dient in erster Linie zur Reduzierung sozialer Kontakte und somit zur Vermeidung potenzieller Infektionsketten. Durch die Einführung einer Sperrzeit für Gastronomiebetriebe ab 23.00 Uhr wird dem nächtlichen Ausgehverhalten ein zeitlich steuerbares Ende gesetzt.

Gaststätten sind regelmäßig Orte an denen es zu Menschenansammlungen bei denen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können (allg. BT-Drs. 14/2530, 74).

In aller Regel ist spätestens ab 23.00 Uhr das Abendessen in Gaststätten beendet, sodass es danach in aller Regel nur noch zum Konsum von – zumeist alkoholischen – Getränken kommt. Hieraus folgt, dass es aufgrund der enthemmenden Wirkung des Alkohols zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) kommen kann (vgl. BayVGH, Beschl. v. 01.09.2020 – 20 CS 20.1962 –, Rn. 27, juris).

Dem wirkt die Sperrstunde entgegen.

Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass ein Alkoholverkaufsverbot ab 23:00 Uhr nicht gleich geeignet erscheint um die angestrebten Ziele zu erreichen. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass es dann absehbar zu „Sturztrünken“ und Sammelbestellungen kurz vor 23:00 Uhr kommt, um die zeitliche Befristung zu umgehen.

Die Festsetzung auf 23:00 Uhr gewährt dabei einen interessengerechten Ausgleich zwischen den infektiologischen Erwägungen und den Interessen der Gaststättenbetreiber und –besucher (vgl. die vergleichbare Regelung in § 25 Satz 2 Nr. 4 7. BayIfSMV).

Der Erwägung des VG Berlin, aaO, Rn. 19 dass das Infektionsumfeld „Gaststätte“ ersichtlich eine untergeordnete Rolle spiele, kann nicht gefolgt werden. Zwar sind die Hinweise zu den Ausführungen im Epidemiologische Bulletin Nr. 38/2020 zutreffend. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass ausweislich des zitierten Bulletins die durchschnittliche Fallzahl pro Ausbruch in „Speisestätten, unspezifisch“ bei 5,0 und in „Restaurants, Gaststätten“ bei 7,2 liegt. Der Anteil an Ausbrüchen mit 2–4 Fällen liegt bei 50% bzw. 55%. Insofern kann nicht von einem derart untergeordneten Infektionsgeschehen ausgegangen werden, dass mit der Sperrstunde eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens nicht erreicht werden kann und sie daher nicht erforderlich ist.

 

Zu Ziff. 3

Auch das Alkoholkonsumverbot im öffentlichen Raum dient der angestrebten Verhütung von Menschenansammlungen und trägt damit dazu bei, Ansteckungen mit SARS-CoV-2 zu verhindern. Ansammlungen bergen – wie ausgeführt – typischerweise ein erhebliches Risiko der Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten. Der Gesetzgeber hat die Beschränkung von Ansammlungen in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG deshalb beispielhaft als geeignete Schutzmaßnahme herausgehoben (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – BVerwGE 142, 205 – juris Rn. 26). Nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) besteht bei größeren Menschenansammlungen auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko mit SARS-CoV-2, wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten wird (vgl. Risikobewertung zu COVID-19, Stand 07.10.2020, täglicher Lagebericht vom 31.8.2020, S. 11 unten, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-ges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-08-31-de.pdf? blob=publicationFile). Hinzu kommt, dass Alkoholkonsum im Einzelfall aufgrund seiner enthemmenden Wirkung zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) im Rahmen einer Ansammlung führen kann (zum Vorstehenden vgl. insgesamt BayVGH, Beschl. v. 01.09.2020 – 20 CS 20.1962 –, Rn. 27, juris).

Gerade im Hinblick auf Ansammlungen im öffentlichen Raum bei denen Alkohol konsumiert wird, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass eines der vordringlichen Ziele zur Eindämmung der Pandemie die Sicherstellung einer möglichst effektiven Kontaktpersonennachverfolgung bzw. Unterbrechung von Infektionsketten ist. Dies gilt auch und gerade in der aktuellen Situation. So führt das RKI in seinem Strategiepapier „Die Pandemie in Deutschland in den nächsten Monaten – Ziele, Schwerpunktthemen und Instrumente für den Infektionsschutz Strategie-Ergänzung, Stand 13.10.2020“ aktuell aus:

Kontaktnachverfolgung zur Clustererkennung und Infektionskettenunterbrechung durch aufsuchende Epidemiologie durchhaltefähig ausgestalten: (…) Ermittlung von potentiell infektiösen Personen und Kontaktnachverfolgung sind effektive Maßnahmen zur Unterbrechung von Infektionsketten. Es gelingt meist zuverlässig und zeitgerecht, Verdachtsfälle zu identifizieren, zu isolieren, die notwendige Diagnostik durchzuführen und Infektionsschutzmaßnahmen lageabhängig umzusetzen. Diese Fähigkeit muss konsolidiert und weiterentwickelt werden.

Dies zugrunde gelegt ist durch die getroffenen Beschränkungen hinreichend sichergestellt, dass noch zwanglos sozialübliche Ansammlungen verschiedenster Form möglich bleiben, gleichsam aber auch das bei größeren Menschenansammlungen im Freien bestehende erhöhte Übertragungsrisiko (dazu vgl. bspw. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 07.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) dass durch den Konsum von Alkohol tendenziell gesteigert wird, begrenzt wird.

Das Verbot wird ferner aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf auch bislang durch infektiologisch bedenkliche Menschenansammlungen oder Verhaltensweisen auffällig gewordene Orte beschränkt. Die entsprechende Beschränkung des Verbots zum Konsum alkoholischer Getränke auf einzelne stark frequentierte Örtlichkeiten des öffentlichen Raums („Hotspots“) stellt ein gleich geeignetes, den Adressatenkreis des Verbots weniger belastende Mittel dar, als ein generelles Alkoholkonsumverbot (BayVGH, aaO, Rn. 28).

Das Alkoholkonsumverbot erweist sich letztlich auch als angemessen. Durch die räumliche und zeitliche Beschränkung wird die Anzahl der durch das Verbot Betroffenen möglichst weit eingeschränkt, sodass nur die Handlungsfreiheit einer beschränkten Zahl Betroffener eingeschränkt (dazu BayVGH, aaO, Rn. 33).

Insofern ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend gewahrt. Ziff. 6 lässt im Übrigen Ausnahmen zu.

 

Zu Ziff. 4:

Das Alkoholabgabeverbot wird ebenfalls auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt.

Das verfügte Verbot des Außer-Haus-Verkaufs alkoholischer Getränke ist zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, denn die Abgabe von alkoholischen Getränken „über die Straße“ (vgl. § 7 Abs. 2 GastG) begünstigt die Bildung von infektiologisch bedenklichen Menschenansammlungen. Daneben kann Alkoholkonsum im Einzelfall aufgrund seiner enthemmenden Wirkung zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) im Rahmen einer Ansammlung führen (vgl. dazu bereits mehrfach oben).

Insbesondere ist das Alkoholabgabeverbot in Zusammenschau mit der Sperrstunde notwendig, um Wanderungsbewegungen aus den Gaststätten heraus und damit das Fortsetzen des Alkoholkonsums außerhalb der Gaststätte zu verhindern.

Das Verbot des Außer-Haus-Verkaufs von alkoholischen Getränken ist auch erforderlich. Gleich geeignete, den Adressatenkreis des Verbots weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Insbesondere wären Maßnahmen gegen einzelne Personen zwar gleich wirksam, würden aber auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Grundrechte nicht nur nach Maßgabe dessen bestehen, was an Verwaltungsressourcen vorhanden ist (BVerfG, B.v. 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82 – BVerfGE 77, 84 – juris Rn. 86 m.w.N.) einen Aufwand erfordern, der für die Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst als unzumutbar ansehen wäre (zum Vorstehenden vgl. insgesamt BayVGH Beschl. v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821, BeckRS 2020, 19555 Rn. 29-34).

 

Zu Ziff. 5:

Die Anordnung ergänzt die Vorgaben der Corona-Verordnung Messen unter Berücksichtigung der aktuellen örtlichen Verhältnisse.

 

Zu Ziff. 6:

Die Anordnung dient der Einzelfallgerechtigkeit, insbesondere der Abmilderung besonderer Härten.

 

Zu Ziff. 7:

Die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwanges folgt aus §§ 49 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 4 Polizeigesetz (PolG), § 2 Nr. 2 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (LVwVG). Hierbei wurde insbesondere beachtet, dass unmittelbarer Zwang nur angewandt werden darf, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes oder der Ersatzvornahme vor Anwendung des unmittelbaren Zwanges kommt als milderes Mittel nicht in Betracht, wenn nach den gesamten Umständen entweder die Aussichtslosigkeit eines milderen Zwangsmittels von vornherein feststeht oder wenn mit Rücksicht auf die andernfalls für ein bedeutendes Rechtsgut drohende Gefahr die mit dem Versuch, den Willen des Verpflichteten zunächst durch ein milderes Zwangsmittel zu beugen, verbundene Verzögerung nicht in Kauf genommen werden kann (OVG Berlin, NVwZ-RR 1998, 412; Engelhardt/App/Schlatmann/Mosbacher, VwVG, § 12 Rn. 10). Hiervon ist insbesondere – wie vorliegend – bei Maßnahmen gesundheits- oder seuchenrechtlicher Art, bei der die Maßnahme keinen Aufschub duldet, auszugehen (BeckOK VwVfG/Deusch/Burr, VwVG, § 12 Rn. 19, zur Anwendung bei Anordnungen nach §§ 28, 30 IfSG vgl. auch Sadler, VwVG, § 12 Rn. 40). Zu berücksichtigen war hierbei insbesondere auch der Umstand, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen die getroffenen Anordungen aufgrund der verhältnismäßig hohen Übertragbarkeit und der häufig schweren bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufe eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Gesundheit darstellen würde. Aufgrund der ohnehin dynamischen Verbreitung des Coronavirus erweist sich daher ausschließlich die Androhung unmittelbaren Zwanges als geeignet, erforderlich und angemessen.

 

Zu Ziff. 8:

Die Wirksamkeit folgt aus § 41 Abs. 4 Satz 4 LVwVfG. Sie ist unter Zugrundelegung des Maßstabs, dass die notwendigen Schutzmaßnahmen nur solange getroffen werden dürfen, wie dies zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit erforderlich ist, zeitlich begrenzt.

Hierbei wurde der Grundsatz berücksichtigt, dass je eingriffsintensiver eine Maßnahme ist, desto kürzer die Frist angesetzt sein muss. Ferner werden die zuständigen Behörden auch während der Geltungsdauer der Frist regelmäßig überprüfen, ob die Maßnahme noch erforderlich ist oder ob nicht mittlerweile ein milderes Mittel gleich geeignet ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. April 2020 – 13 MN 63/20 –, Rn. 54, juris; zusammenfassend zu den weiteren Anforderungen auch Kießling, IfSG § 28 Rn. 22f.; vgl. auch bereits oben).

 

III.

Es wird auf die Vorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG hingewiesen, wonach derjenige, ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Abs. 1 IfSG zuwiderhandelt. Die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000,00 Euro geahndet werden (§ 73 Abs. 2 IfSG).

Gemäß § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die angeordneten Schutzmaßnahmen keine aufschiebende Wirkung. Für die Androhung von Zwangsmitteln gilt gem. § 52 Abs. 5 PolG, § 12 LVwVG entsprechendes.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Bürgermeisteramt Dossenheim, Rathausplatz 1, 69221 Dossenheim erhoben werden.

Hinweis: Diese Allgemeinverfügung einschließlich Begründung kann bei der Gemeinde Dossenheim, Ordnungsamt, eingesehen werden.

 

Dossenheim, 26.10.2020

 

David Faulhaber

Bürgermeister