Bürgermeister David Faulhaber

Liebe Dossenheimerinnen und Dossenheimer,

in diesem Jahr können wir den Volkstrauertag bedauerlicherweise nur in reduzierter Form begehen. Der Schutz der Gesundheit geht selbstverständlich vor. Dennoch möchten wir den Tag nicht unerwähnt verstreichen lassen und werden einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft niederlegen. Dieser Tag dient nicht nur der Erinnerung und der Trauer, sondern setzt auch ein Zeichen für Frieden und Miteinander. Es ist in diesem Jahr wichtiger denn je zuvor, zusammen zu stehen und Solidarität zu beweisen. Das Jahr 2020 hat uns gezeigt, wie wichtig eine solidarische Gesellschaft ist, um zu funktionieren. Es gibt mehr, was uns verbindet, als was uns trennt – das hat auch dieses Jahr bewiesen.

Der Volksbund leistet hierfür einen wichtigen Beitrag. In seiner Jugendarbeit legt er Wert auf internationalen Austausch, der das Verständnis für fremde Kulturen fördert. Dadurch rücken wir als Weltgemeinschaft näher zusammen. Auch die Pflege der Kriegsgräberstätten ist eine wichtige Aufgabe. Sie erinnern uns an die Gefallenen und die Kriegsopfer und zeigen, unter anderem durch das häufig sehr junge Alter, welchen Preis Kriege fordern. Die Gedenkstätten müssen als Mahnung zum Frieden erhalten bleiben. Am Volkstrauertag gedenken wir all jenen, die ihr Leben verloren haben.

Ich möchte in Schriftform nicht zu viele Worte formulieren, möchte jedoch an dieser Stelle neben den Ausführungen von Hendrik Tzschaschel ganz besonders auf die des Jugendgemeinderates Max Dehnert verweisen. Dieser schreibt: „Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und uns vor Augen führen, welche Folgen Krieg, Gewalt und Zerstörung auf unsere Welt haben.“

Die schrecklichen Verbrechen der Vergangenheit rücken Generation für Generation weiter weg, werden Generation für Generation mehr Vergangenheit. Und das ist auch gut so! Doch ebenso gut ist es, dass wir, dass unsere Kinder und Jugendliche davon wissen und davon erfahren. Denn am Ende ist und bleibt eine Erkenntnis: nie wieder!

Erinnern und besinnen wir uns also, damit es nie wieder passiert.

Ihr David Faulhaber,

Bürgermeister

Hendrik Tzschaschel – Mitglied des Volksbundes

Liebe Bürgerinnen und Bürger, jede und jeder kennt das Datum: 8. Mai – Kriegsende in Europa. Über 60 Millionen Menschen weltweit verloren ihr Leben im II. Weltkrieg. Seit 75 Jahren leben wir Deutschen in Frieden mit unseren Nachbarn. Welch enorme Leistung! Aber wir wissen – Im Osten der Ukraine tobt seit Jahren ein verlustreicher Krieg. Die Staaten Aserbaidschan und Armenien haben erst kürzlich die Waffen sprechen lassen, um Streitigkeiten gewaltsam zu lösen. Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus nehmen überall in Europa zu. In Frankreich und Österreich sind durch Terrorakte mehrere Tote zu beklagen.

Wir gedenken heute am Volkstrauertag der unzähligen Vertriebenen, Gefallenen, Vermissten und Toten von Kriegen, Terror und Gewalt. Vor drei Wochen nahmen über 60 Menschen an der Andacht, die unter dem Motto „zachor – gedenke“, mit den beiden Dossenheimer Kirchengemeinden teil, um an die Opfer in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere der des jüdischen Glaubens, zu erinnern.

Heute kann die Öffentlichkeit wegen der Corona-Pandemie auf dem Ehrenfriedhof der Gemeinde Dossenheim nicht zusammenkommen, um gemeinsam an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, Verfolgung und Völkermord, Vertreibung und Widerstand zu gedenken. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mahnt an, nicht zu vergessen und die Erinnerung wachzuhalten. Wir wissen, die Generation, die den Krieg noch erlebt hat, geht von uns.

Doch die Toten geben keine Ruhe. Ihre Geschichte lebt in uns weiter. Die Gewalterfahrungen – Angst um Angehörige, der Tod von Kameraden, das Töten von Menschen, Bombenhagel und Hunger, das Verlassen sein – prägen noch heute die Gesellschaften in Europa. Das Gedicht „Tränenlose Kinderaugen“ von Heidrun Gemähling, geb. 1943, zeigt die Brutalität des Krieges und zugleich die Machtlosigkeit, das eigene Leben in die Hand nehmen zu können.

Kinderaugen weinen stumm Tränen sind nicht mehr, Zerflossen im Elend, im blutigen Kriegermeer.
Im Meer der Menschenseelen, die hauchten aus ihr Sein, Mutter, Vater, Familie, Kinderaugen verlassen – allein.
Sitzen inmitten des Elends verschockt – die Augen sah’n, was Kinder nie begreifen, den Krieg, das Blut, die Angst und den Wahn.

Wir denken heute an unsere Angehörigen, die gefallen, die gefoltert, die deportiert und die getötet worden sind. Wir suchen Trost an ihren Gräbern, trauern um sie. Und wir erinnern uns an ihre Geschichten, ihr Lachen und Weinen.

Obwohl die Menschen in meinem Alter an keiner kriegerischen Auseinandersetzung bisher direkt beteiligt waren, begleiten diese die Kriegserlebnisse ihrer Großeltern und die Erfahrungen ihrer Eltern aus der Nachkriegszeit. Die erlebten Traumata werden weitergegeben.

Es steht heute auch die Urenkelgeneration vor den Gräbern. Jedoch scheint für sie das damalige Kriegsgeschehen von geringerer Bedeutung zu sein. Denn vor ihnen und natürlich auch vor uns Älteren liegen gewaltige Herausforderungen – Klimawandel, Zusammenleben in Frieden, Globalisierung und Pandemieentwicklung mit Krisenbewältigung. Die Gesellschaft verändert sich und entwickelt sich weiter, aber sie baut auf dem auf, was bisher ist und war. Daher ist es wichtig zu verstehen, was ihre Vorfahren erlebt und erlitten haben.

Hier versucht der Volksbund, Formen zu finden, mit denen Jugendliche und junge Erwachsene nicht nur erfahren können, was früher vorgefallen ist. Sie können Kenntnisse erwerben, die ihnen helfen, den eigenen Lebensweg zu finden. Aus diesem Grund ist es wichtig, Erinnerungsorte zu haben und zu pflegen, an denen es möglich ist, das lange vor der eigenen Geburt Geschehene fassbar zu machen.

Allein in den letzten Monaten vor Kriegsende hatte Dossenheim im Jahre 1945, 81 gefallene Soldaten zu beklagen, deren Namen in einem Kupferbuch eingraviert sind. Dieses steht an einem besonderen Platz auf dem Friedhof. Mit den eingefassten Gräbern und dem Sarkophag, mit dem festverankerten Kupferbuch sowie mit dem Gefallenendenkmal, das an die Toten aus dem 1. Weltkrieg erinnert, ist der Ehrenfriedhof in unserer Heimatgemeinde ein Ort an dem Geschichte erfahrbar ist und erlebbar gestaltet werden kann.

Der Volksbund ist dankbar, dass die Gemeinde Dossenheim trotz der vorherrschenden Einschränkungen einen Kranz zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewalt niederlegt. Denn Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Die Worte von Prof. Theodor Heuss haben heute noch ihre Gültigkeit: „Sorgt ihr, die ihr noch im Leben steht, dass Friede bleibe. Frieden zwischen Menschen, Frieden zwischen Völkern.“

Hendrik Tzschaschel

Jugendgemeinderat Max Dehnert

Mein Name ist Max Dehnert; ich bin 19 Jahre und seit 2014 im Jugendgemeinderat tätig.

Ich will unter dem Titel „Gedanken eines Jugendlichen zum Volktrauertag“ meinen Beitrag zu diesem Tag leisten und hoffe, dass ich die Gedanken des ein oder anderen Lesers damit bereichern kann.

Am Sonntag den 15. November hätte man sich versammelt um jene zu ehren, die unter Krieg und Gewaltherrschaft leiden mussten, vielerorts sogar noch müssen und jene die dadurch ihren Tod fanden. Dieses Jahr ist dies aufgrund der Corona-Pandemie in gewohnter Weise nicht möglich; dennoch wurde ein Weg gefunden, die Bedeutung dieses Tages zu würdigen.

Für mich sind große Katastrophen und schlimme Geschehnisse der Vergangenheit wie die zwei Weltkriege, die diktatorischen Regime des 3. Reiches und der DDR und andere Kriege immer weit entfernt gewesen. Einmal wegen meines Alters und auch wegen der räumlichen Entfernung, beispielsweise zum Nahen Osten. Dieses Jahr hatte ich durch die Corona-Pandemie zum ersten Mal persönlichen Kontakt zu einer Krisensituation, doch diese ist meiner Meinung nach kein Vergleich zu dem, was das letzte Jahrhundert prägte.

Die eindrucksvollste Geschichte die mir in meiner Kindheit erzählt worden war, war die meines Opas und seiner Geschwister, die im Zweiten Weltkrieg ihren Heimatort verlassen mussten, um in das heutige Deutschland zu fliehen. Die Familie meines Opas lebte bei Ausbruch des 2. Weltkrieges in Oppeln, einer Stadt die heute mit knapp 130.000 Einwohnern in Polen liegt. Im Januar 1945 wurde die deutsche Bevölkerung der Stadt evakuiert, mein Opa und seine Geschwister wurden mit LKWs nach Neisse gefahren und sind von dort aus bis nach Hof in Bayern geflohen.

Die große Schwester meines Opas hat im Jahr 2008 ihre Geschichte und ihre Erfahrungen in einem Buch niedergeschrieben. In ihrem Buch beschreibt sie ihr Leben im Alter von 17-19 Jahren, während der zweite Weltkrieg wütete und die Familie auf der Flucht ins Unbekannte war.

Beim Lesen der Seiten bekommt man ein ganz mulmiges Gefühl, wenn einem bewusst wird, dass das was dort steht, die Erfahrungen der eigenen Großtante sind. Sie beschreibt, wie die Jugendlichen damals leben mussten; bei Nacht musste das komplette Haus abgedunkelt werden, damit Spähflieger die Stadt nicht erkennen konnten. Wöchentlich, manchmal täglich gab es Fliegeralarm; die Kinder und Jugendlichen konnten am Motorengeräusch der Bomber hören, ob sie noch beladen waren oder ihre Aufgabe schon erledigt hatten. Zudem waren viele Väter an der Front, so auch mein Urgroßvater. Auf der Flucht musste Essen und Feuerholz her; es wird beschrieben wie die Kinder der Familie auf den Feldern die Tagesmahlzeiten zusammensuchten während die Geschwister Wache hielten, damit es auch ja keiner bemerkt.

Doch am Eindrucksvollsten finde ich die Erzählungen, welche alles hätten verändern können. So erzählt meine Großtante, wie mein Opa auf der Straße unterwegs war und auf einmal ein Tiefflieger mit seiner Bordkanone in das Wohngebiet schießt. Die Geschosse trafen den Bordstein auf dem mein Opa unterwegs war. Einen Meter höher und mich würde es heute nicht geben. Ich kann von Glück reden, dass meine Familie die Flucht überstanden hat und einen Platz im heutigen Deutschland gefunden hat.

Ich will heute aber nicht nur über eine Zeit schreiben, die ich nur aus Büchern und Filmen oder Geschichten von meinen Großeltern und Eltern kenne. Denn ich, der ich im 21. Jahrhundert geboren bin, möchte die Möglichkeit nutzen auf jene aufmerksam zu machen, die in der aus deutscher Sicht längsten Friedensperiode trotzdem Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind.

Es sind vor allem Menschen in meinem Alter, deren Zukunft auf dem Spiel steht.

So gibt es aktuell viele Krisenherde auf der Welt, wo Kinder und Jugendliche ähnliches, vielleicht sogar schlimmeres, durchmachen müssen als mein Opa und seine Geschwister damals. Auch müssen viele Menschen in Armut leben oder sich an den Gefechten beteiligen. Es fehlt Nahrung, Medizin und Sicherheit, und selbst wenn etwas davon zur Verfügung wäre, fehlt das Geld um es sich leisten zu können. Viele dieser Menschen geben alles was sie haben ab, um ihr Heimatland zu verlassen und begeben sich in Lebensgefahr um in ein Land zu gelangen, in dem ein stabiles Leben möglich ist.

In den letzten Jahren sind viele Menschen geflüchtet und zu uns nach Europa gekommen. Einige haben es auch geschafft hier Anschluss zu finden und sind dabei sich ein Leben aufzubauen. Dies sollte eine Motivation für Menschen in Not, aber auch für uns sein, um das Leid auf dieser Welt zu verringern. Eine Flucht ins Unbekannte ist aber nicht für alle eine Option; so kämpfen viele in ihrer Heimat für Recht und Frieden. Doch immer wieder kommt es bei friedlichen Demonstrationen zu Auseinandersetzungen und die Folge sind Verletzte und Tote unter denen, die Frieden für ihre Familien, Freunde und das ganze Land wollten.

Es ist schwierig mit Tod, Gewalt und Zerstörung fertig zu werden. Das merken wir, wenn wir an Menschen denken, die uns nahestanden, die diese Welt verlassen mussten, oder die traumatische Erlebnisse hatten. Wir sollten uns in der modernen, schnellen und hektischen Welt die Zeit nehmen die wir brauchen, um mit dem Erfahrenen fertig zu werden.

Am heutigen Volkstrauertag ist der Tag an dem wir uns an die glücklichen Momente, welche wir mit den Verstorbenen erleben durften, erinnern. Und auch sollten wir an jene denken, denen wir helfen können, sich von Leid und Trauer zu befreien; seien es Freunde oder Verwandte denen wir durch schwere Zeiten helfen, oder Menschen denen wir die Chance geben eine schwere Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und uns vor Augen führen, welche Folgen Krieg, Gewalt und Zerstörung auf unsere Welt haben.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf sollten wir auf die aktuellen Situationen blicken in denen Menschen leiden.

Es ist oftmals schwer eine große Hilfe zu sein, doch auch vermeintlich kleine Unterstützungen und Taten können im richtigen Moment anderen ein Segen sein und die Welt ein kleines bisschen verschönern.