Solidaritätskundgebung: Rede von Bürgermeister Faulhaber

Liebe Dossenheimerinnen und Dossenheimer, meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir kommen aus einer Zeit, da wir uns alle nach Normalität sehnen. Nach Alltag. Danach, dass unsere Kinder in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gehen können. Danach, dass wir uns treffen, uns persönlich begegnen können. Danach, dass wir – wie beispielsweise heute im Anschluss an diese Kundgebung – dass wir uns mit dem Gemeinderat im Rathaus zusammenfinden, um zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen, Themen für Dossenheim zu entwickeln und voranzubringen.

Normalität.
Freier Zugang zu Bildung – selbstverständlich, mitunter lästig.
Das Recht ungehindert seine Meinung zu sagen, wenn nötig auch zu streiten – selbstverständlich, mitunter auch anstrengend.
Die Möglichkeit seine Freiheit zu genießen, Ausflüge zu machen, andere Länder zu bereisen, fremde Kulturen zu entdecken, unbeschwerte Zeiten zu genießen – selbstverständlich und für uns alle das Normalste der Welt.

Doch diese Selbstverständlichkeiten, diese Normalität, dieser unser aller Alltag wird seit wenigen Tagen und nur wenige Kilometer von uns entfernt bedroht, angegriffen. Menschen sterben, Familien werden getrennt, ganze Städte in Schutt und Asche gelegt. Leid. Sirenen heulen. Bomben schlagen ein. Schüsse fallen. Sie alle kennen diese Bilder.

Und dies alles in einer jungen Normalität der Ukraine. In einer jungen Demokratie. In einem Land, das für seine Freiheiten, für seine Möglichkeiten gekämpft hat und diese momentan verteidigt, mitunter bis zum Tod.

Und weshalb?
Weil es früher einmal so war? Weil die Freiheit der anderen einen selbst bedroht? Weil sich die Zeiten ändern und Machtpolitik einzelner dies erfordert?

Ich erlebe mich – und da bin ich sicherlich nicht alleine – in ruhigen Minuten vermehrt und immer wieder darüber nachzudenken, was denn momentan passiert. Hier, mitten in Europa. Welche Weiterungen kommen noch auf uns und die Menschen in der Ukraine zu? Wie wird sich unser aller Leben in der Zukunft verändern? Bleibt dies nachhaltig so?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen diese Fragen leider nicht beantworten. Vielleicht werden wir Schritt für Schritt hierauf Antworten erhalten. Antworten aus unzähligen, täglichen Ticker-Meldungen herauszulesen versuchen.

Was ich Ihnen jedoch sagen und Sie dafür begeistern möchte:
Lassen Sie uns für unsere Normalität, lassen Sie uns für unsere Selbstverständlichkeiten, unsere Demokratie, unsere Freiheit, lassen Sie uns hierfür gemeinsam einstehen. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen, lassen Sie uns immer wieder Zeichen setzen, dass wir nicht gewillt sind, derlei bedeutende Wahrheiten aufzugeben. Lassen Sie uns zeigen, dass wir dies nicht nur für uns wollen, sondern auch für die Kinder, Frauen und Männer in der Ukraine und jedem anderen Land, das nach Freiheit und Demokratie strebt.

Wir stehen heute Abend hier, um genau dieses Zeichen – wie an so vielen anderen Orten – gemeinsam und laut in die Welt zu rufen. In all die Diktaturen, an all die Despoten und Ewiggestrigen gewandt.

Wir sind hier. Wir bleiben hier. Und wir sind nicht wenige!

Ja, wir kommen aus einer für uns alle sehr anstrengenden und belastenden Zeit. Aber auch ja: wir bringen und werden dies auch künftig tun, die Kraft, die Motivation und die Liebe für unsere menschlichen Bedürfnisse, für diese Normalitäten, auf. Es wird uns fordern, vielleicht mehr denn je als wir uns dies nach vielen Jahrzehnten des Friedens in Europa gewünscht hätten und vorstellen können. Doch tun wir es dennoch. Gemeinsam und bitte auch mit positivem Sinn und Gedanken begleitend.

Sehr geehrte Damen und Herren, nehmen Sie bitte noch ein Anliegen von mir heute mit nach Hause. Ich habe seit ich laufen kann schon immer mit anderen Kindern und Jungs Fußball gespielt. Jungs und gute Kicker aus Eritrea, aus dem ehemaligen Jugoslawien oder eben auch aus Russland. Es waren und es sind Freunde! Und diese Freundschaften lasse ich mir von keinem Diktator dieser Welt kaputt machen und negieren.

Die kriegerischen Verbrechen, welche momentan in der Ukraine stattfinden, sind nicht durch pauschalisiert „die Russen“ begangen. Nein! Nein! Es handelt sich um Putin und seine Schergen, seine Handlanger des Schreckens und des Todes.
Lassen Sie uns bitte nicht den Fehler machen einen Keil zwischen uns zu treiben. Lassen Sie Putin nicht diesen von ihm sicherlich erhofften Erfolg verspüren. Nationalität: Mensch, wohnhaft in Dossenheim!

„Jeder Krieg ist eine Niederlage des menschlichen Geistes“, so der Autor Henry Miller. Also haben wir verloren.
Als ich die vergangenen Tage mit meiner 10-jährigen Tochter über den Krieg gesprochen habe, gab Sie die Worte von Miller in ihren Worten wieder: „Papa, ich habe verstanden was Du mir sagst. Ich bin für keinen. Ich bin für Frieden!“
Ich bin ihr für diese Weitsicht, für diese Menschlichkeit, für diese guten Gedanken so unendlich dankbar und würde mir viel mehr kindliche Sichtweisen und Überlegungen in diesen Tagen wünschen.
Denn wir verlieren momentan als Menschheit im Gesamten, jeden Tag aufs Neue. Und daher ist es wichtig aufzustehen, zu mahnen und aufmerksam zu machen. Ich sagte genau diesen Satz am Volkstrauertag des vergangenen Jahres: Zivilcourage ist kein bloßes Wort, es ist das Lebenszeichen einer menschlichen Gesellschaft, unserer Gesellschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle erleben momentan schreckliches Leid. Wir sehen Zerstörung, weinende Kinderaugen, getötete und verletzte Menschen. Diese Bilder berühren, treffen einen ins Mark. Lassen Sie uns bitte aller Opfer dieses zerstörerischen Krieges gedenken. Lassen Sie uns einen Moment der Stille innehalten.