Seniorenbüro: Vortrag von Birgit Kramer über Demenz

Kurzfassung des Vortrags von Dr. Birgit Kramer am 14.02.2022 im Rathaus Dossenheim

Birgit Kramer, wohnhaft in Dossenheim, studierte Volkswirtschaft in Freiburg und sammelte erste Erfahrungen in den Bereichen Management, Projektplanung und Personalführung. 2004 erfolgte dann ein Wechsel in die gerontologische Forschung bei einem Auslandsaufenthalt in Cambridge, USA am Massachusetts Institute of Technology im MIT AgeLab. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen vor allem in der Nutzung von Chancen und Stärkung von Ressourcen einer älter werdenden Gesellschaft. Ihre Doktorarbeit zum Thema Technikakzeptanz in der Pflege von Menschen mit Demenz schrieb sie in Heidelberg am Netzwerk Alternsforschung. Nach Projekten in Ludwigsburg zum Thema „Pflege bei räumlicher Distanz“ und in Heidelberg zum Thema „Pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz eine Stimme geben: die Rathausgespräche“ wechselte Frau Kramer an die Medizinische Fakultät Mannheim. Seit April 2021 leitet sie dort die Geschäftsstelle des Kompetenznetzwerks Präventivmedizin Baden-Württemberg.

Der Vortrag fand im Rahmen der Vortragsreihe von fsb Dossenheim statt.

 „Demenz: Was ist das? Wie gehen wir damit um?“

Was ist eine Demenz? Definition:

Wir verstehen darunter den Verlust von Nervenzellen im Gehirn, der die Alltagsfähigkeiten beeinträchtig, ein Muster an Symptomen hervorruft und mindestens 6 Monate andauert

Hauptmerkmale der Demenz

Gedächtnisstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltensänderungen, fehlende Orientierung – räumlich/zeitlich/personal/situativ, Konzentrationsschwierigkeiten, eingeschränkte Alltagsfähigkeiten

Häufigkeit

In Deutschland leben heute etwa 1,7 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu. Ungefähr 60 Prozent davon haben eine Demenz vom Typ Alzheimer. Die Zahl der Demenzerkrankten wird bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt.

Übertragen auf Dossenheim kann man sagen:

Von derzeit 12.651 Bürgerinnen und Bürgern in Dossenheim sind 31,5 % älter als 65 Jahre, das sind 3.922 Menschen in dieser Altersgruppe. Die Wahrscheinlichkeit, ab 65 an einer Demenz zu erkranken, liegt bei 8,6 %. Das wären 337 Menschen in Dossenheim, die an einer Demenz leiden.

Ca. 65 % der Menschen mit Demenz werden zu Hause betreut – für Dossenheim bedeutet das, dass 219 Familien als pflegende Angehörige einen  Menschen mit Demenz im häuslichen Umfeld betreuen bzw. pflegen.

Ursachen – Arten von Demenz

34 %      Alzheimer-Krankheit + Gefäßkrankheit

30 %      Alzheimer-Krankheit

10 %      Gefäßkrankheiten

10 %      Alzheimer-Krankheit + Lewy-Körperchen-Krankheit

5 %        Lewy-Körperchen-Krankheit

5 %        Frontotemporale Degeneration

2 %        Stoffwechselkrankheiten

2 %        Infektionen

2%         Behebbare Ursachen

Behandlungsmöglichkeiten / Therapieformen bei Demenz

Nicht-Medikamentöse Behandlung

Ergotherapie, Milieutherapie, Kognitives Training, Verhaltenstherapie, Biographiearbeit,

Musiktherapie, Realitätsorientierung, Kunsttherapie

Medikamentöse Behandlung

Neuroleptika, Antidepressiva, Antidementiva

Risikofaktoren

  • ALTER
  • Genetische Faktoren
  • Depression
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • Hohe Cholesterinwerte
  • Niedrige Schulbildung
  • Einsamkeit
  • Mangelnde Bewegung
  • Ernährung
  • Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum

Schutzfaktoren

  • Körperliche Aktivität
  • Geistige Betätigung (neues Lernen, neugierig sein)
  • Ernährung (mediterrane Küche, bevorzugt Olivenöl/Rapsöl, je 2 Portionen Obst/Gemüse pro Tag, Vitamin D, Fisch; Fett, Fleisch und Zucker reduzieren)
  • Soziale Aktivitäten – Kontakt mit Menschen
  • Moderater Alkoholkonsum, Rauchen ganz vermeiden

Kommunikationsstrategien und schwierige Situationen

Kommunikation – allgemeine Hinweise:

  • Halten Sie Blickkontakt, auf Augenhöhe – mit Namen und freundlich ansprechen
    (nicht von hinten/der Seite sprechen – berühren)
  • Machen Sie einfache und kurze Sätze, warten Sie eine Reaktion ab (Pausen)
  • Keine Schachtelsätze oder „Entweder-oder-Fragen“
  • Aufmerksam zuhören: Worte und Körpersprache (Problem Schmerzen)
  • Mit Berührungen und Mimik unterstützen
  • Würdevoll und mit Respekt – nicht wie ein kleines Kind behandeln oder belehren
  • Humor (das ist im Alltag das Schwierigste): Lachen ist die beste Medizin – gemeinsames Lachen (miteinander und nicht übereinander)

Was hilft in schwierigen Situationen:

  • Ruhe und Sicherheit vermitteln – ein Schritt zurück und tief einatmen
  • Versuchen Sie zu verstehen was gerade passiert: warum ist es schwierig?
  • Verbote vermeiden, besser ist es Alternativen aufzuzeigen
  • Nicht über die Person mit Demenz sprechen, wenn sie im gleichen Raum ist
  • Nicht auf Defizite hinweisen (- Selbständigkeit unterstützen)
  • Vermeiden Sie Diskussionen
  • Führen Sie eine Unterbrechung der Situation herbei (Thema, Person)

Dazu mehr beim nächsten fsb-Vortrag von Dr. Stefanie Wiloth: „Wenn mehr und mehr die Worte fehlen…“ / Über die Bedeutung und die Möglichkeiten gelingender Kommunikation mit Menschen mit Demenz

Was hilft Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen?

Menschen mit Demenz wünschen sich:

… sozial eingebunden zu sein

… selbstbestimmt zu leben

… ihre Selbständigkeit zu erhalten

… „zu Hause“ alt werden/sterben zu dürfen

… keine Angst haben zu müssen

… sich nützlich zu fühlen

Pflegende und betreuende Angehörige wünschen sich:

… ZEIT für sich

… Anerkennung (Familie/Gesellschaft)

… Entlastung

— finanzielle Unterstützung

… jemanden, der sie an die Hand nimmt

… Begegnungen

Was sollten pflegende/betreuende Angehörige unbedingt beachten:

  • Kümmern Sie sich um sich selbst – wenn Sie ausfallen…
    Tun Sie etwas für Körper und Seele (Lesen, Waldbaden, Schwimmen)
  • Streben Sie keine Perfektion an
  • Hilfe holen, Hilfe zulassen – niemand muss diesen Weg alleine gehen
  • Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte und Freundschaften (Isolation!)
  • Austausch mit anderen suchen: „Ich bin nicht alleine“ und „wertvolle Tipps von anderen Betroffenen“
  • Tagebuch/ Schatzkästchen – halten Sie die schönen Momente fest

Was können Angehörige im Alltag tun (Auswahl):

  • Eine klare Umgebung schaffen, freie Wege und ausreichend Licht
  • Den Alltag strukturieren, feste Zeiten und Routinen einführen
  • Dinge gemeinsam machen – ganz bewusst und gern
    (Spiele, Einkaufen, Spazierengehen, Café, Kochen, …)
  • Hilfe zur Selbsthilfe – nicht zu viele Dinge abnehmen, Zeit lassen
  • Schöne Momente bewusst „produzieren“: alte Fotos gemeinsam anschauen, Musik hören, singen, Geschichten erzählen, Filme anschauen,…

Wichtige Links aus dem Vortrag:

Wer die Vorgänge im Gehirn verstehen möchte, findet hier weitere Informationen der „Alzheimer Forschung Initiative“:
https://www.youtube.com/watch?v=paquj8hSdpc

Übertrag auf Dossenheim:
https://www.wegweiser-kommunen.de/

Häufigkeit von Demenzerkrankungen:
https://www.deutsche-alzheimer.de/fieleadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalt.pdf

Ursachen – Arten von Demenz:
https://www.demenz-partner.de/

Video zur Virtuellen Demenztour (ABC News):
https://www.youtube.com/watch?v=QEmBmokHU3Q&t=77s

Apfelsinen in Omas Kleiderschrank:
http://www.best-practizz-film.com/projekte/apfelsinen-in-omas-kleiderschrank-filme-zur-alzheimer-krankheit/apfelsinen-in-omas-kleiderschrank-trailer-einblick/

PPM Pro Pflege Management:
https://www.ppm-online.org/krankheitsbilder-senioren/demenz/#heading_5

Promenz in Österreich:
https://www.promenz.at/

Demenzguide der Evangelischen Kirche München:
www.elkb.org/anwendung/demenzguide

Weitere Fotos von Tom Hussey:
http://vuing.com/amazing-photography-reflections/
https://www.alifeattitude.com/8-photos-of-old-people-who-see-their-younger-selves-in-the-mirror/

 

Kurzer Rückblick auf das Rathausgespräch am 28.11.2019